Sachbuch
Gebundene Ausgabe, 14,8 x 21 cm
408 Seiten
ISBN 978-3-940452-32-0
Die hier versammelten Aufsätze aus der seit 2005 vierteljährlich erscheinenden Fachzeitschrift des Institutes für Nationales Gedächtnis (ÚPN) in Bratislava geben nach über 30 Jahre nach dem epochemachenden Umbruch in der damaligen Tschechoslowakei dem deutschen Publikum ein aufschlussreiches Bild vom Umgang mit dem kommunistischen Erbe.
In der 1993 ihre Unabhängigkeit erlangenden Slowakei setzte der komplexe Prozess der Aufarbeitung der totalitären Ära von 1948 bis 1989 erst mit Verspätung ein. Das seit 2002 bestehende Institut erforscht neben der Zeit des Zweiten Weltkrieges insbesondere die politisch-ideologischen Voraussetzungen und gesellschaftlichen Auswirkungen der kommunistischen Herrschaft von Staat und Partei.
Hierbei werden Funktion und Struktur der Staatssicherheit (StB) und die Mechanismen, Strategien und Methoden des repressiven Sicherheitsapparates als wesentliches Element für den Machterhalt freigelegt. Manipulation und Überwachung, Verfolgung und Unterdrückung bis hin zu offenem Terror waren charakteristisch.
Die Untersuchungen folgen den entscheidenden Wegmarkierungen der kommunistischen Ära im Gesamtstaat bzw. im slowakischen Landesteil: Vom „Februar-Putsch“1948 und der Gleichschaltung der Gesellschaft mit den Schauprozessen in den stalinistisch geprägten 1950er Jahren über den „Prager Frühling“ und der Niederschlagung dieses Versuches einen „Sozialismus mit menschlichem Antlitz“ zu schaffen, bis hin zur „Samtenen Revolution“ 1989.
Dabei kommen die biographischen Bezüge bei Tätern und Opfern exemplarisch zum Vorschein, werden Karrieren im Repressionsapparat wie Persönlichkeiten der Menschen- und Bürgerrechtsbewegung deutlich. Die Bilanz der bisherigen Aufarbeitung in der Slowakei fällt differenziert aus, was auch Gespräche mit Zeitzeugen verdeutlichen.
Wie auch in anderen vergleichbaren Ländern führte die Hinwendung zu neuen Herausforderungen im Zuge der Umgestaltung von Staat und Gesellschaft seit 1989 auch zu Verdrängung und Relativierung der totalitären Vergangenheit bzw. hing von der Bereitschaft unterschiedlicher Milieus ab, sich dem schmerzhaften Spannungsverhältnis von vor 1989 aus Anpassung, Verstrickung und Ablehnung systematisch zu stellen.
Dass Demokratie, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit heute in der Slowakei trotz mancher Krisen fest verankert sind und dieses Selbstverständnis im Spiegel der totalitären Vergangenheit betrachtet wird, dazu trägt auch das ÚPN durch seine vielfältige Tätigkeit aus Forschung und Öffentlichkeitsarbeit bei. Die Archivierung und Bereitstellung von Unterlagen der ehemaligen Sicherheitsorgane hat zur Rehabilitierung von Opfern erheblich beigetragen, konnte aber gleichwohl nur bedingt das juristische Dilemma auflösen, dass von den Verantwortungsträgern des alten Regimes allzu wenige belangt worden sind. Insgesamt aber bleibt diese Arbeit für eine lebendige Erinnerungskultur unabdingbar, die im Sinne Havels den anspruchsvollen und nicht immer bequemen „Versuch“ bedeutet, „in der Wahrheit zu leben“.